Weltpremiere von “Land der Vergessenen” in New York begeistert gefeiert

Am letzten Sonnabend (den 5.6.99) gab es auf dem Dokumentarfilm-Festival “docfest” in New York eine Welturaufführung: der Film “In Rhythm of time” von Daniel Thorbecke (Regie, Produktion) und Oli Weiss (Schnitt). Das Werk der beiden jungen Filmemacher wurde vom New Yorker Publikum begeistert aufgenommen. Ein Schwarz-Weiß-Film der gekonnt am Grenzbereich zwischen strenger Dokumentation und Feature laboriert und den Zuschauer durch phantastisch starke Einstellungen gefangen nimmt.

Die 110-jährige Mima erzählt ihrer Urenkelin die Geschichte des kleinen Dorfes Fogo im Schatten eines aktiven Vulkan auf den Kapverden. Der Vulkan bricht etwa alle 30 Jahre aus und bedroht mit seinem Aschenregen die Menschen des Dorfes, weswegen die Regierung die Einwohner in eine neues Dorf umsiedeln möchte. Der Film zeigt die Diskussionen der Alten, die sich über Generationen an das harte Leben auf dem Asche- und Lavaboden unterhalb des Vulkans gewöhnt haben und nun befürchten, in der neuen Siedlung nicht überleben zu können. Dort gibt es keine Felder, die sie bearbeiten können und sie fürchten ihre Selbständigkeit zu verlieren. Der Film zeigt ebenso die Sehnsüchte der Jungen, vermag sogar den Rhythmus der auf der Insel gespielten, merrengue-artigen Musik wiederzugeben.

Nachdem 1990 das Global Village Festival in den USA das letzte Mal durchgeführt wurde und in der Zwischenzeit in den USA der Dokumentarfilm vorübergehend weniger Interesse fand, hatte Gary Pollard vor einem Jahr das “docfest” in New York gegründet. Neben dem Festival von North Carolina, das ebenfalls vor anderthalb Jahren gegründet wurde, hat es sich schnell einen Namen als “high profile”-Festival in Nordamerika erkämpft.

Gary Pollard hatte im Februar auf der Berlinale zufällig Daniel Thorbecke getroffen, der ihm ein Beta-Kopie des halbfertigen Films gab. Pollard war von der poetischen Stärke der Bilder so überwältigt, daß er den Film auf jeden Fall für das Festival gewinnen wollte. Das “docfest” soll nach Pollard ein Forum der “besten Dokumentarfilme sein, Filme, die den Zuschauer wirklich berühren und im weiteren Sinne zugänglich sind”. Kriterien, an denen es die Dokumentarfilme heutzutage seiner Meinung nach häufig mangeln lassen. “Dokumentarfilme sollten am Thema interessiert sein, sich verschiedener Stilmittel bedienen und nicht verbissen am Dogma der Dokumentation festhalten. Entscheidend ist die Authentizität der Message.”

Den 28jährigen Daniel Thorbecke und Oli Weiss ist mit ihrem Erstlingswerk dabei offensichtlich ein Glückstreffer gelungen. Gedreht wurde der Film innerhalb von vier Wochen auf den Kapverdischen Inseln auf 35mm ORWO-Film mit einem sehr knappen Budget, das die beiden Berliner mit ihren Jobs als Cutter und Produktionsassistenten verdient haben. Oli Weiss, der seit einiger Zeit in München in der Filmbranche arbeitet, ist begeistert, daß es möglich war, die Weltpremiere in New York durchzuführen. Einige Landschaftsszenen waren gerade erst vor vier Wochen nachgedreht worden. “Das war nur mit der wirklich phantastischen Unterstützung von einigen Firmen möglich, mit denen wir gearbeitet haben. Offensichtlich sehen sie in uns die ‘Kunden von morgen’.”

Daniel Thorbecke, der schon mit 12 Jahren Theater spielte, kam wie Oli vor 7 Jahren auf den Film. Durch seine Passion für Vulkane war er auf die Kapverdischen Inseln gestoßen und hat es hier als Regisseur vermocht, einen Schwarz-Weiß-Film herzustellen, der gekonnt alltägliches mit philosophischen Grundfragen mischt, ohne dabei jemals schulmeisterhaft daherzukommen. Man hat fast den Eindruck, daß die Musik von Philip Glass extra für diesen Film komponiert wurde – was nicht stimmt, so perfekt ist der Film geschnitten.

“Es war schon ein überwältigendes Gefühl vom Flughafen mit dem Taxi nach Manhattan hineinzufahren und zu wissen, daß wir hier unseren Film uraufführen werden!” sagt Daniel Thorbecke. Insgeheim ist es auch en kleiner Triumph für sie, nachdem sie bei mehreren Filmhochschulen in Deutschland abgewiesen wurden: “Bei einer Aufnahmeprüfung sollte ich etwas vorsingen. Da habe ich dann “Walk on the wild side” von Lou Reed gesungen. Weil ich aber nur die erste Strophe kannte, habe ich die dann immer wiederholt. Als ich dann noch “Drei Chinesen mit ‘nem Kontrabaß” sang, waren sie auch nicht so begeistert. Andererseits war mir danach dann aber auch klar, daß ich da nicht unbedingt hingehen muß!” sagt Oli.

Der Film wurde einzig aus eigenen Mitteln finanziert. Allerdings haben Geyer in Berlin sowie Ari und die Bavaria in München die Beiden bei der Fertigstellung der Kopien stark unterstützt! Der cinematografische Experte des Goethe-Instituts in New York Stefan Altevogt hat zusammen mit dem Auswärtigen Amt Flug und Unterkunft für die beiden Vertreter des deutschen Dokumentarfilms finanziert. “Es war schon überraschend, daß ausgerechnet dieses Außenseiterwerk unter den acht Bewerbern von der Festivaljury als deutscher Beitrag ausgewählt wurde. Aber das ‘docfest’ ist ja bekannt für beste Qualität!”

Text: Horst Seele-Liebetanz
Fotos: © Petra Liebetanz

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