Motorräder im Guggenheim-Museum

Selten kommt es zum Verkehrsstau, wenn ein Museum eine Ausstellung eröffnet. Vor zwei Wochen war dies allerdings der Fall, als im Guggenheim Museum in New York “The Art of the Motorcycle” eröffnet wurde: auf der Fifth Avenue kam der Verkehr zum erliegen, als ein Motorradkonvoi nach seiner Fahrt durch Manhattan an dem weltberühmten Museum sein Ziel erreichte. Die beeindruckende Armada großer Motorrädern erregte soviel Aufsehen, daß der morgendliche Berufsverkehr zusammenbrach. Nicht jeder New Yorker konnte dem Treffen der Motorradfahrer so viel abgewinnen, wie Tom Krens, der Museumsdirektor des Guggenheim, für den mit dieser Ausstellung ein alter Traum in Erfüllung ging. Die BMW Vertretung in New York hatte den Motorrad-Konvoi organisiert. Die bekannte Marke unterstützt die Ausstellung als Sponsor, weil vor genau 75 Jahren das erste BMW-Motorrad hergestellt wurde.

In dem 1935 eröffneten Museum sind 114 Motorräder ausgestellt, die Geschichte gemacht haben. In der Ausstellungshalle, die den Besucher auf einer spiralenartigen Rampe wie in einem Schneckenhaus vom Erdgeschoß bis in den 6. Stock unter das Dach führt, kann man die Technik- und Designentwicklung der letzten 100 Jahre nachvollziehen. Der Ausstellungsarchitekt Frank Gehry hat zu diesem Zweck das schneckenhausartige Geländer der Rampe im Innenraum des Museums komplett mit hochglanzpoliertem Edelstahl verkleidet. In der Halle kommt der Besucher sich vor, als sei er selbst im Innenraum einer riesigen Feder oder einer Maschine.

Spätestens 1868 fing die Geschichte der Motorräder mit dem “Vélocipède” von Michaux-Perreaux aus Frankreich an, das noch mehr an ein Hochrad erinnert, als an ein Motorrad. Angetrieben wurde das Gefährt durch eine Dampfmaschine, die in gefährlicher Nähe zum Fahrer unter dem Sattel installiert war.
Ganz anders wirkt dagegen das jüngste Stück der Ausstellung. Die rote MV Agusta F4 ist technische Spitzenleistung und optisch bis ins letzte Detail durchgestylt. Oder die 1995 von Philippe Starck entworfene Aprilia Moto 6.5.

Natürlich darf in solch einer Zusammenstellung auch der Vespa-Roller nicht fehlen. Sogar eine Kreidler Florett, an die sich noch viele erinnern werden, ist vertreten. Motorräder, die zu einem wahren Mythos wurden, wie der Chopper aus Peter Fondas Film “Easy Rider” sind in der Sammlung ebenso zu finden, wie Stücke, die nur Spezialisten ein Begriff sein dürften. Die “Dollar V4” zum Beispiel, die französische Antwort der dreißiger Jahre auf die schon damals erfolgreichen Harley-Davidsons. Diese Maschine ist die einzig erhaltene dieser Marke. Die Tschechisch-Slowakische “Böhmerland” mit ihrem hölzernen Beiwagen und gelb-roter Lackierung wirkt wie der Versuch einer klobigen Rakete: sie soll einer sechsköpfigen Familie (drei Personen auf den Sätteln, drei im Beiwagen) Platz geboten haben.

Neben der ersten BMW von 1923, der R 32, findet man das wohl technisch außergewöhnlichste Beispiel des “neuen Fortbewegungsmittels”, eine Megola Sport. Fritz Cockerell fertigte den Prototyp mit wuchtigem roten Rahmen 1920 an. Er ordnete die fünf Zylinder des Motors sternförmig im Vorderrad an. Diese abenteuerlich wirkende Konstruktion beschleunigte das Motorrad auf beachtliche 109 km/h. Die Maschine wurde in Serie bis 1926 in Deutschland produziert, bis die Fertigung in der Wirtschaftskrise der späten zwanziger Jahre eingestellt werden mußte.

Die letzte Ausstellung des Guggenheims war eine Ausstellung über “5000 Jahre China”, im Herbst diesen Jahres werden die besten Gemälde aus dem Centre Pompidou und der Sammlung des Guggenheim gezeigt. Wie verträgt sich das mit einer “Motorrad-Ausstellung”? Tom Krens, der Direktor des Guggenheim-Museums, und sein Team planten diese Ausstellung schon seit Anfang der neunziger Jahre – weniger wegen seiner persönlichen Liebe zu den Feuerstühlen, sondern als Überblick über die Designentwicklung der letzten 100 Jahre. Und dafür eignet sich das Vehikel Motorrad gewiß.

Den formulierten Anspruch, ebenso die Entwicklung der Industriegesellschaft darzustellen, erfüllt die Ausstellung alleine sicher nicht so gut, wie der sehr liebevoll gemachte und detailgetreue Katalog. Eins ist jedoch sicher: Es ist eine ungewöhnliche Ausstellung, die sowohl den Motorradfan begeistert, wie jeden, der sich für Industriedesign interessiert!

Die Ausstellung ist bis zum 20. September 1998 im Guggenheim-Museum, New York zu sehen. Anschließend zieht sie um in das “Field Museum of Natural History” in Chicago. Im Herbst 1999 wird sie im Guggenheim-Museum Bilbao gezeigt.

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